Communiqué de presse
Dübendorf, 27. Apr 2024
Entretien avec Jürg Niklaus dans le Schweizer Bauer: « Un grand travail de sensibilisation nous attend » (en allemand)
Der Verein «Sorten für morgen» setzt sich für neue Züchtungsverfahren im molekularbiologischen Bereich ein. Für Präsident Jürg Niklaus sollte die Bevölkerung besser über die Thematik informiert werden.
«Schweizer Bauer»: Jürg Niklaus, die Debatte um moderne Züchtungsmethoden inklusive der Genom-Editierung ist neu entfacht. Warum gerade jetzt?
Einerseits liegt dies am politischen Prozess: Das GVO-Moratorium läuft Ende 2025 aus. Zudem hat der Bundesrat vom Parlament den Auftrag erhalten, im Jahr 2024 einen Gesetzesentwurf vorzulegen, wie er die Zulassung der neuen Pflanzenzüchtungsverfahren regeln will. Diese Debatte wird auch in der EU geführt. Anderseits ist die Land- und Ernährungswirtschaft angesichts des Klimawandels und der Forderung nach einer pestizidfreieren Produktion auf robuste und nachhaltige Pflanzensorten angewiesen – und zwar bald. Es ist deshalb erfreulich, dass das Thema nun in die Öffentlichkeit rückt.
Entstünde für die Schweizer Landwirtschaft ein Nachteil, wenn sie einen anderen Weg gehen würde als die EU?
Das hängt ganz davon ab, wie dieser Unterschied im Detail aussieht. Klar ist: Eine unterschiedliche Regulierung der neuen Verfahren dürfte zu Schwierigkeiten im Handel mit der EU führen. Dabei geht es nicht nur um den Handel mit landwirtschaftlichen Erzeugnissen, sondern auch mit Saatgut, Futtermittel, Verarbeitungsprodukte usw. Solche Probleme können auf allen Stufen der Wertschöpfungskette auftreten. Entscheidet sich die EU für eine offenere Regulierung der neuen Verfahren als die Schweiz, könnte die EU-Landwirtschaft nachhaltiger produzieren. Die hiesige Agrar- und Ernährungswirtschaft würde diskriminiert. Eine unterschiedliche Regelung würde auch den Forschungsstandort Schweiz komplett ins Abseits manövrieren.
Auch international gibt es grosse Skepsis gegenüber Crispr/Cas. Schweizer Produkte könnten sich mit «gentechfrei aus der Schweiz» einen Namen machen.
Hinter diese «grosse» internationale Skepsis darf man ein Fragezeichen setzen. In vielen Ländern sind genom-editierte Pflanzen konventionell gezüchteten gleichgestellt, allenfalls unter bestimmten Voraussetzungen. Die grosse Mehrheit der Wissenschaft, unter anderem 34 Nobelpreisträger sowie viele Universitäten und Forschungsinstitute, sind überzeugt, dass die Risiken der neuen Methoden nicht grösser sind als jene der konventionellen Züchtung. Es müsste auch geklärt werden, was «gentechfrei» überhaupt heisst. Derzeit wird unpräzis argumentiert. Wir wollen ehrlich sein: Auch hierzulande setzen wir seit Jahrzehnten problemlos die Mutagenese ein. Dabei werden durch radioaktive Strahlen oder chemische Substanzen Genmutationen provoziert. Wir gehen davon aus, dass der Informationsstand zu diesem Thema in der Bevölkerung leider eher tief ist. Der Verein «Sorten für morgen» seinerseits vertritt klar die Ansicht, dass Kartoffel Kartoffel bleiben muss, sprich: es sollen keine artfremden Gene eingefügt werden. Freiheit von Transgenetik könnte also ein Profilierungsmerkmal bleiben. Genau so ist übrigens auch der Auftrag des Gesetzgebers an den Bundesrat formuliert.
In der Schweiz kennen wir das Gentech-Moratorium. Dieses wurde von Bevölkerung und Parlament mehrere Male bestätigt. Können Sie nachvollziehen, dass Konsumenten keine gentechnisch veränderten Nahrungsmittel essen möchten?
Die Bevölkerung konnte sich das letzte Mal vor etwa 20 Jahren zum Moratorium äussern. Danach hat das Parlament das Moratorium eigenhändig immer wieder verlängert. In der Zwischenzeit ist viel passiert. Die neuen Züchtungsverfahren sind ein Werkzeug, welches uns hilft, der Landwirtschaft rechtzeitig robuste und nachhaltige Sorten zur Verfügung zu stellen. Es ist nachvollziehbar, dass jemand auf gentechnisch veränderte Produkte verzichten möchte. Besteht eine Nachfrage, dann wird sich auch das Angebot danach richten. Zertifizierungssysteme können das gut organisieren. Beim Import haben wir bereits grosse Erfahrung damit. Immerhin importieren wir rund die Hälfte der konsumierten Lebensmittel. Es gilt, sich vor Augen zu führen, dass auf der halben Welt konstant gentechnisch veränderte Lebensmittel konsumiert werden – ohne negative Folgen für die Gesundheit. Unabhängige Studien dazu, auch schweizerische, werden hierzulande im öffentlichen Diskurs konsequent ignoriert.
Woher kommt das anhaltende Misstrauen gegenüber gentechnisch veränderten Lebensmitteln?
Diese Annahme ist meines Erachtens zu pauschal. Wir müssen auch hier präzis sein. Sprechen wir von klassischer Gentechnik oder von den neuen Züchtungsverfahren? Sprechen wir von Trans- oder von Cisgenetik? Das Thema ist sehr komplex. Es wartet viel Aufklärungsarbeit auf uns. Wir stellen aber bereits heute fest, dass sich Offenheit für die neuen Züchtungsverfahren einstellt, sobald man auch den Nutzen derselben aufzeigt. Mit den neuen Züchtungsverfahren können wir viel Zeit gewinnen und flexibler auf die sich rasch wandelnden Herausforderungen reagieren. Und solche gibt es zuhauf. Nicht zuletzt müssen wir bekanntlich den Einsatz von Chemie reduzieren.
Kritiker warnen vor Abhängigkeiten von der Agro-Chemie oder dass die Konsequenzen der Freisetzung nicht absehbar seien. Was sagen Sie dazu?
Die Schweiz begibt sich vor allem dann in Abhängigkeiten gegenüber dem Ausland und den grossen internationalen Saatgutproduzenten, wenn sie der hiesigen Branche die neuen Methoden verwehrt. Die Pflanzenzüchtung wird dann ins Ausland verlagert, und wir hätten kaum mehr Einfluss darauf. Was die Konsequenzen der Freisetzung betrifft, so ist auch hier eine differenzierte Betrachtungsweise nötig. Wenn man mit den neuen Züchtungsverfahren Sorten herstellt, welche man auch über klassische Züchtungsverfahren herstellen kann, geht von diesen kein grösseres Risiko aus. Zudem findet in jedem Fall eine Sortenprüfung statt. Und es ist ja nicht so, dass eine neu gezüchtete Pflanze unmittelbar auf dem Teller landet. Schliesslich muss erst klar sein, ob die neue Sorte die Erwartungen erfüllt.